Heute Morgen habe ich ein Mail eines Bekannten aus Berlin erhalten, in dem er mir am Ende einen schönen Friedenstag gewünscht hat. Ich habe mich darüber etwas gewundert, habe dann gegoogelt und festgestellt, dass der 1. September in Deutschland seit Jahrzehnten als Friedenstag gilt. Er erinnert an den 1. September 1939, als Nazi-Deutschland Polen überfallen und damit den 2. Weltkrieg eröffnet hat.

Diese kleine persönliche Episode hat mich einmal mehr daran erinnert, wie privilegiert wir Schweizerinnen und Schweizer sind. Wir haben keinen Friedenstag – schlicht und einfach deshalb, weil in unserem Land seit der Gründung des Bundesstaats Frieden herrscht.

Den Zustand des Nicht-Friedens oder eben des Kriegs kennen wir faktisch nur aus den Medien und Gesprächen mit Menschen, die den Krieg andernorts erlebt haben.

Das Privileg, dass wir ausschliesslich Frieden kennen, sollte in meinen Augen zu zwei Effekten führen:

Zum einen sollen und müssen wir uns solidarisch zeigen mit denen, die diesen Zustand nicht kennen. Als SP sind wir Teil einer internationalen Bewegung, deren Horizont nicht an Landesgrenzen aufhört, die Mitverantwortung übernimmt und sich dafür einsetzt, dass möglichst viele Menschen weltweit den Friedenzustand auch als Normalzustand erleben können wie wir. Dazu gehört, dass wir uns für weltweite Demokratie, für Entwicklungszusammenarbeit und für eine faire und glaubwürdige Asylpolitik einsetzen.

Dieser internationale Blick und dieser Mitgestaltungswille unterscheidet uns von bürgerlicher Politik.

Zum anderen sollte uns unser Privileg die Gelassenheit geben, mit tagesaktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen sachbezogen und grosszügig umzugehen. Während es beispielweise in Syrien oder in Afghanistan um Leben oder Tod geht, können wir in aller Ruhe über Steuerpolitik, Sicherheitspolitik oder eben auch über Burkas diskutieren, wie dies in diesem Sommer der Fall gewesen ist. Und während in Diktaturen keine freien Meinungsäusserungen möglich sind, können bei uns alle ganz demokratisch sagen, was sie denken.

Diese Gelassenheit sollten wir hochhalten. Auch partei-intern. Die SP ist die älteste der Schweizer Parteien und hat schon manche Diskussion geführt und schon manche Kontroverse überstanden – eben ganz im Sinne einer vielfältigen, breit abgestützten und diskursiven Partei, die diese Eigenschaften nicht nur theoretisch in ihren Genen hat, sondern sie auch praktisch lebt. Es ist auch schon mehr als einmal vorgekommen, dass es Unterschiede zwischen der Position der Partei und der Position unserer Regierungsvertreter gegeben hat. Ich wage auch zu prophezeien, dass es dies auch in Zukunft wieder geben wird.

Selbstverständlich verstehe ich, dass nicht alle die Burkadiskussion für sinnvoll und relevant gefunden haben. Und selbstverständlich verstehe ich, dass sich der eine und andere über das Vorpreschen von Mario Fehr gewundert oder geärgert hat.

Bei genauer Betrachtung stelle ich aber ebenso selbstverständlich fest, dass die Einigkeit insgesamt grösser ist als sie manchmal dargestellt wird: Wir alle lehnen Burkas – und die damit verbundenen Werte und Haltungen – ab. Genau gleich lehnen wir ein nationales Verbot auf Verfassungsstufe ab wie dies das Egerkinger Komitee fordert. Was also übrig bleibt, ist die Frage, ob es auf kantonaler Ebene auf Gesetzesstufe ein Verbot geben soll oder nicht. Und diese Frage, liebe Genossinnen und Genossen, kann man nun wahrlich mit guten Argumenten dafür oder dagegen beantworten. 

Wie die Debatte zeigt, gibt es in allen Parteien unterschiedliche Haltungen dazu, es ist also keine links-rechts-Diskussion, sondern vielmehr eine Frage der persönlichen Haltung. Im Kontext der grösseren Diskussion, wie wir mit dem Islam umgehen (Stichwort: Ausbildung von Imamen, Stichwort: Stichwort: Allfällige spätere Anerkennung von muslimischen Religionsgemeinschaften) ist die Burkafrage sowieso nur eine Detailfrage.

Das Zulassen von unterschiedlichen Meinungen innerhalb der SP und das Ringen um Positionen betrachte ich als Stärke. Was mich hingegen ärgert, ist die in der Öffentlichkeit immer wieder aufkommende Frage, ob es „richtige“ oder „nicht richtige“ Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gebe. Diese Diskussion finde ich – mit Verlaub – bireweich. Wir alle haben uns freiwillig zur SP und ihren Grundwerten bekannt und engagieren uns dafür. Und somit sind wir alle Teil dieser SP. Wir wollen ja keine Einheitsbrei-Partei à la SVP sein.

Und um das Thema abzuschliessen, auch zu Handen der Medien, sage ich deshalb ganz direkt: Mario Fehr gehört genauso zur SP wie wir alle hier in diesem Saal auch.

Statt über eigene Regierungsräte zu reden, sollten wir unser Augenmerk vielmehr auf das richten, was die anderen Regierungsräte tun. Und das verheisst nun wahrlich nichts Gutes: Der Regierungsrat hat mit der Leistungsüberprüfung 16 ein Sanierungs- und Abbaupaket geschnürt, das einen eigenartigen Mix aus Zahlenkosmetik, Einsparungen und Verlagerungen auf die Gemeinden darstellt.

Es führt dazu, dass Bildungsdirektorin Silvia Steiner als Spar-Musterschülerin die Beitrage des Kantons an die Erwachsenenweiterbildung massiv gekürzt hat und die Schulleiterkosten ganz den Gemeinden übertragen will.

Es führt dazu, dass Baudirektor Markus Kägi das Förderprogramm für erneuerbare Energien zusammenstreicht.

Es führt dazu, dass Volkswirtschaftdirektorin Carmen Walker Abstriche macht beim ZVV-Angebot und beispielsweise zusätzlich einen Seezuschlag einführen möchte.

Das sind nur einige Beispiele. Für uns als SP ist klar, dass wir uns gegen diese aus unserer Sicht inhaltlich falschen Massnahmen wehren, notfalls auch mit Referenden, sodass am Ende das Volk darüber entscheiden kann.

Daneben bereitet Finanzdirektor Ernst Stocker die Umsetzung der Massnahmen zur Unternehmenssteuerreform 3 vor. Diese nationale Reform bringt dem Kanton und den Gemeinden massive Einnahmeausfälle von mehreren hundert Millionen Franken. Das ist schlicht und einfach zu viel und zu unverantwortlich.

Auch dagegen wehren wir uns, indem wir national das Referendum ergriffen haben und so hoffen, dass es gar nie zu einer kantonalen Umsetzung kommt.

Und dann ist noch Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger: Was er tut, wissen wir. Er pflügt die Spitallandschaft um und will als nächstes das Kantonsspital Winterthur und die Psychiatrischen Betriebe verselbstständigen und damit die Türen für eine spätere Privatisierung öffnen. Auch dagegen wehren wir uns und haben mit der Idee eines Zürcher Spitalverbunds eine eigene alternative Idee für die Organisation der Spitäler im Kanton Zürich entwickelt.

Ihr seht also, liebe Genossinnen und Genossen. Es steht uns ein heisser Herbst bevor. Der politische Gegner gibt uns mehr als genug zu tun. Insgesamt geht es darum, den massgeblich auch durch die Sozialdemokratie mitaufgebauten Service public und den Sozialstaat zu erhalten. Fokussieren wir uns darauf und setzen wir uns für einen leistungsfähigen, starken Staat ein! Ich danke euch!


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